Die Meinung am Freitag, 16.03.2018, von David Lukaßen

15.03.18 –

Das Herz sagt ja, der Verstand sagt nein.

Die Entscheidung des Einstiegs in die Beitragsfreiheit in der Kindertagesbetreuung bei den über Dreijährigen setzt um, was Grüne schon lange fordern und wir auch in unserem Grundsatzprogramm stehen haben. So gesehen soll nun umgesetzt werden, was als Ziel schon vor Jahren gefordert wurde.

Und dennoch glaube ich, dass diese Entscheidung falsch ist und die falschen Weichen stellt. Wir werden in einem Kraftakt gut 20 Mio. € in die Hand nehmen. In den Folgejahren wird diese Summe noch wachsen. Dadurch werden die entlastet, die bisher mit ihren Beiträgen zumindest einen Teil der Kosten des Platzes ihrer Kinder finanziert haben. Wir verbessern dadurch weder die Qualität in den Einrichtungen, noch schaffen wir einen Platz mehr oder sorgen für eine höhere Inanspruchnahme in sozialen Brennpunkten. Meiner Meinung nach fehlt das Geld nun im Gegenteil für eben diese Verbesserungen und Schwerpunkte. 

Sicher, es wäre schwierig gewesen, sich bei der derzeitigen Stimmung gegen die Beitragsfreiheit auszusprechen. Zudem wir in gut einem Jahr Wahlen haben. Doch davon haben wir uns bei anderen wichtigen Themen in der Vergangenheit auch nicht abschrecken lassen und hätten es auch hier nicht tun sollen.

Mit der nun kommenden Beitragsfreiheit ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Forderung auch für die unter Dreijährigen und die Horte erhoben werden wird. Dies wird weitere Millionen kosten, die an anderer Stelle fehlen werden, wo es oft sogar nur um deutlich geringere Summen geht.

Bremen ist noch immer ein Haushaltsnotlageland und wir sind gut beraten, Ausgaben gut zu durchdenken. Ich bin der Auffassung, wir hätten uns hier die Zeit nehmen sollen, uns zu überlegen, was wir dem Geld erreichen können und wollen. Es in der Partei diskutieren und dann auf einer LMV beschließen sollen.

Wenn wir es uns denn finanziell zutrauen und bei all den anderen Wünschen bereit sind hier einen weiteren massiven Schwerpunkt zu setzen, dann hätte ich es mir gewünscht, dass wir den Mut haben 20 Mio. € in einem Landesprogramm für Qualitätsverbesserungen, Aufwertung des Berufes, Ausweitung von Betreuung in den Randzeiten oder mehr Personal bereitzustellen. Damit hätten wir die Attraktivität unserer Einrichtungen stärken können und sicher auch Argumente in der Auseinandersetzung mit dem niedersächsischen Umland, wo Qualität und Umfang der Betreuung schon heute nicht unbedingt besser sind. Ich sehe, dass uns hierfür in das Geld nun aber gerade fehlen wird. 

Grüne Sozialpolitik hieß für mich immer, dass wir den Leistungsfähigen mehr zumuten und diese mehr leisten. Bei den Beiträgen haben wir bisher viele freigestellt und von den besser verdienenden einen Teil der Kosten der Betreuung verlangt. Angesichts unserer Haushaltslage halte ich das auch für den richtigen Weg. Es stimmt, Eltern haben viele Kosten und die Beiträge sind ein Teil davon. Auf der anderen Seite tut der Staat vieles dafür, Eltern und ihre Kinder zu fördern. Vieles davon wie Steuerfreibeträge oder die Absetzbarkeit von Kosten privilegiert dabei gerade diejenigen, die jetzt durch Beitragsfreiheit entlastet werden. Daher kämpfen Grüne doch auch beispielsweise für eine Kindergrundsicherung, damit alle Kinder gleichermaßen profitieren und es nicht weiter stark vom Einkommen der Eltern abhängt.

Und auch der Verweis auf den Koalitionsvertrag auf Bundesebene kann mich nicht überzeugen. Darin werden den Länder Mittel für die Kindertagesbetreuung versprochen. Ob, wann, in welchem Umfang und vor allem auch wie lange sie kommen, ist noch nicht sicher. Doch auch wenn sie kommen, sie decken nicht die gesamten Kosten ab. Vor allem sieht der Koalitionsvertrag keine Zweckbindung der Mittel für die Beitragsfreiheit vor. Auch hier hätten wir als Land Schwerpunkte bei der Qualität und dem Personal setzen können.

Das Herz sagt ja zu einer Beitragsfreiheit, das sagt es zu vielen Ideen. Doch mein Verstand sagt, dass wir die falsche Entscheidung getroffen haben und am Ende unsere eigenen Ziele im Bereich Qualität und anderen Verbesserungen dadurch hintertreiben und gefährden.