Die Meinung am Freitag, 21.09.2018, von Mustafa Öztürk

Ich meine, dass die Wassergewöhnung und der Schwimmunterricht im Elementarbereich und an den Grundschulen früher beginnen müssen!

20.09.18 –

Liebe Freundinnen und Freunde,

 

ich meine, dass die Wassergewöhnung und der Schwimmunterricht im Elementarbereich und an den Grundschulen früher beginnen müssen! Auch müssen wir ab der nächsten Legislaturperiode die Eintrittspreise für Kinder in den Bremer Bädern deutlich senken! Die tatsächliche Schwimmzeit der Drittklässler im Wasser ist zu kurz und muss sich deutlich erhöhen, außerdem müssen die Eltern besser unterstützt werden! Alle Kinder sollen schwimmen lernen und das möglichst früh!

 

Als Grüne Fraktion haben wir am letzten Mittwoch im Haus der Bürgerschaft eine öffentliche Veranstaltung durchgeführt, auf der wir mit über 50 geladenen Gästen und Interessierten unter der Überschrift "Dramatische Badeunfälle in Bremen. Was tun für mehr Sicherheit?" über das Thema Badesicherheit und Schwimmkompetenz von Kindern und Jugendlichen diskutiert haben. Hintergrund für dieVeranstaltung war, dass in diesem Sommer in Bremen mehrere Kinder und junge Erwachsene ertrunken sind, so ein fünfjähriger Junge im Freibad Blumenthal, ein 15-jähriges Mädchen im Huchtinger Sodenmattsee, ein Vierjähriger beim Badestrand in der Weser beim Café Sand und ein 26-jähriger Mann im Werdersee. So unterschiedlich die einzelnen Vorfälle waren, so zeigt sich in der Häufung doch sehr deutlich die Notwendigkeit alles zu tun, damit solche Unfälle in Zukunft möglichst verhindert werden. Wie groß der Bedarf ist, zeigt auch eine Umfrage der DLRG, wonach fast die Hälfte der zehnjährigen Kinder in Deutschland derzeit nicht schwimmen kann. Das betrifft auch Bremen und deshalb besteht auch ein dringender Handlungsbedarf.

 

In der Veranstaltung, an der unter anderem Sozial- und Sportsenatorin Anja Stahmann, Martina Baden als Geschäftsführerin der Bremer Bäder GmbH, Martin Reincke als Präsident der Bremer DLRG-Landesverbands und Stephan Oldag in seiner Funktion als Präsident des Landesschwimmverbands Bremen teilgenommen hatten,  haben wir intensiv darüber diskutiert, was die Ursachen für eine solche dramatische Häufung von Badeunfällen war und was notwendig ist, damit diese Zahl spürbar reduziert werden kann. Auch das Ressort Kinder und Bildung war auf das Podium eingeladen, konnte aber leider kurzfristig aufgrund einer Erkrankung keinen Ersatz stellen. Ich habe mich aber sehr darüber gefreut, dass Matthias Güldner als unser kinder- und bildungspolitischer Sprecher und Vorsitzender der Deputation für Kinder und Bildung an der Veranstaltung teilgenommen und die zahlreichen Impulse für seine weitere Arbeit mitgenommen hat. Auch habe ich mich gefreut, dass die Vorsitzende der Deputation für Sport, Frau Ingelore Rosenkötter, und Herr Andreas Vroom, Präsident des Landessportbundes, unsere sozialpolitische Sprecherin, Sahanim Görgü-Phillip, sowie zahlreiche aktive und ehrenamtliche aus dem Bremer Schwimmsport teilgenommen haben.

 

Besonders häufig wurde in der Diskussion benannt, dass es zwar gut sei, dass alle Kinder in der 3. Klasse Schwimmunterricht bekommen, dass der Zeitpunkt aber eigentlich schon sehr spät sei. Wassergewöhnung müsse ganz früh anfangen, mit vier bis fünf Jahren könnten Kinder eigentlich schon das Schwimmen gelernt haben können. Dies zeigt, dass es wichtig ist, auch schon Eltern von Vorschulkindern für das Thema zu sensibilisieren und niedrigschwellige Angebote zu schaffen, dass Kinder frühzeitig an Schwimmkursen teilnehmen können und sich mit Baderegeln auseinandersetzen. Dies mache Kindern grundsätzlich auch Spaß, etwa durch Angebote des Eltern-Kind-Schwimmens, Eingewöhnung im flachen Bereich eines Schwimmbeckens und vieles mehr.

 

Mich persönlich hat das sehr überzeugt: Aus meiner Sicht sollte geprüft werden, ob man in der Schule den Schwimmunterricht nicht auch in die 2. oder sogar die 1. Klasse vorziehen kann. Was spricht eigentlich dagegen? Hier würde mich vom Ressort Kinder und Bildung interessieren, welche Möglichkeiten sie sehen und was dabei bedacht werden muss. Auch sollte man überlegen, wie beim Schwimmunterricht die reine Schwimmzeit der Kinder im Wasser erhöht werden kann, die häufig 20 Minuten nicht überschreitet. Das reicht aus meiner Sicht nicht, eine deutliche zeitliche Ausweitung wäre sinnvoll. Außerdem sollte grundsätzlich auch noch einmal überlegt werden, welche Möglichkeiten es gibt, in Kindergärten, die nahe an einem Schwimmbad sind, weitere Schwimmprojekte zu initiieren, damit Kinder Lust am Schwimmen bekommen und elementare Baderegeln vermittelt werden können.

 

Ich glaube, dass wir auch noch einmal einen Blick auf die Eintrittspreise in den Bremer Bädern werfen und hinterfragen sollen, welche Möglichkeiten es gibt, damit das frühe Schwimmenlernen nicht an den hohen Eintrittspreisen scheitert. Das ist eine Aufgabe der Haushaltsgesetzgeber für die nächsten Haushaltsberatungen, die erst in der kommenden Legislaturperiode beschlossen werden können. So könnten die Zuschüsse an die Bremer Bäder erhöht und die Eintrittspreise gesenkt werden. So wurde in der Veranstaltung auch  die Idee geäußert, auf Eintrittspreise für Kinder des Elementarbereichs grundsätzlich zu verzichten und die Frage in den Raum gestellt, ob nicht grundsätzlich auch Krankenkassen mehr in die Verantwortung genommen werden sollten, da es sich beim Schwimmen lernen ja um eine präventive Maßnahme handelt. Deswegen sollten wir auch darüber diskutieren, dass es Sinn macht Kindern im Elementarbereich einen freien Eintritt in die Bremer Bäder zu ermöglichen. Ohne Bürokratie und ohne dass sich die Eltern offenbaren müssen. Für Kinder ab dem Grundschulalter brauchen wir auch Lösungen, vor allem für Kinder aus einkommensschwachen Familien. Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten und dafür brauchen wir einerseits die Bremer Bäder und andererseits die Schwimmvereine. Wir sollten daher die Zeit nutzen und in einen intensiveren Dialog auch mit den Vereinen gehen.

 

Interessant finde ich auch das gerade eingeführte Bremerhavener Modell der sog. Schulischen Intensivkompaktkursen, in das alle Bremerhavener Grundschulen eingebunden sind.  Bei diesem Intensivkompaktkurs erhält ein Klassenverband aus dem dritten Jahrgang täglich Schwimmunterricht mit einer tatsächlichen Schwimmzeit von 60 Minuten. Dieser Klassenverband wiederum wird in drei Lerngruppen eingeteilt, die jeweils von einem/er SchwimmmeisterIn betreut werden. In Vorbereitung des Schwimmkurses wird für SchülerInnen der 2. Klasse, die noch keinen Kontakt zum Schwimmen hatten, eine Phase der Wassergewöhnung integriert. Die Übernahme dieses Modells kann ich mir auch in Bremen zunächst modellhaft an ausgewählten Bremer Schulen vorstellen. Auch Modellprojekte zur Wassergewöhnung in Kitas könnten mit ausgewählten Kitas, die sich das vorstellen können, erprobt werden. 

 

Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung könnten außerdem Eltern nach der Schwimmfähigkeit ihrer Kinder befragt werden. Sollte die Antwort negativ sein, so könnten den Eltern ganz konkrete und auf die individuellen Bedürfnisse angepasste Angebote gemacht werden.



Auch bei der Zuweisung der Trainings- und Schwimmzeiten in den Bädern für Schwimmvereine, Schulklassen und der Öffentlichkeit, gibt es aus meiner Sicht noch Optimierungsbedarf. Eine weitere sinnvolle Maßnahme ist, dass viel mehr ErzieherInnen und LehrerInnen eine Zusatzausbildung zur RettungsschwimmerIn absolvieren könnten, damit auch sie für die ganz kleinen ihr Wissen frühzeitig an die Kinder weitergeben können.

 

 

Klar wurde in der Diskussion auch, dass das Schwimmen in der Weser und an Badeseen grundsätzlich mit Risiken verbunden, dass die Einführung und Kontrolle von Verboten aber wenig sinnvoll ist. So wies Martin Reincke darauf hin, dass die DLRG das Schwimmen in der Weser nicht empfiehlt, da es sich hierbei um eine Verkehrsstraße handelt, verbieten lasse sich das Schwimmen in der Weser aber auch nicht. Es ist aus meiner Sicht wichtig, dass Eltern stets achtsam sind, wo sich ihre Kinder befinden und sie mit ihnen auch absprechen, was sie dürfen und was zu gefährlich ist. Wir sollten überlegen, inwieweit - zumindest an Stoßzeiten - nicht auch Beratungsangebote für Eltern und Kinder direkt an den Seen und der Weser denkbar sind. Die Badesituation am Café Sand sollte sich im kommenden Sommer ändern, Badeunfälle müssen vermieden und unachtsame Eltern über Risiken aufgeklärt werden.

 

Ich werde mich in den nächsten Wochen dafür stark machen, dass es zu wirklichen Verbesserungen in diesem Bereich kommt. Erst diese Woche haben wir dazu zwei parlamentarische Initiativen in die Bremische Bürgerschaft eingebracht. Außerdem arbeiten wir derzeit gemeinsam mit der SPD an einem Konzept zur Erhöhung der Quote der sicheren SchwimmerInnen, das u.a. die von mir eingangs genannten Punkte sowie darüber hinaus gehende Forderungen umfasst,  welches nach der Befassung in drei Deputationen schließlich in der Bürgerschaft beschlossen werden soll.

 

Alle Kinder sollen schwimmen lernen, das ist unser Ziel. Dafür brauchen wir aber auch die zahlreichen ehrenamtlichen aus dem Bremer Schwimmsport! Sie leisten täglich sehr viel für Jung und Alt und sie haben über 500 Geflüchteten das schwimmen beigebracht. Ohne die Schwimmvereine geht es nicht!

 

Mustafa Öztürk, MdBB, sportpolitischer Sprecher