Die Meinung am Freitag, 25.05.2018, von Joachim Lohse

Joachim Lohse meint, dass Lebensqualität in einer verantwortungsvollen Stadtentwicklung eine wichtige Rolle spielt.

24.05.18 –

Stadtqualität contra Renditestreben

 

Wieder einmal dürfen wir einer der örtlichen Tageszeitungen entnehmen, dass der Senat angeblich seine Wohnbauziele verfehlt. Nachdem wir schon am Fließband mehr Baugenehmigungen erteilen als politisch vereinbart, werden wir nun dafür kritisiert, dass wir zu wenig Wohnungen fertigstellen, zu wenig Einfamilienhäuser bauen und die Prozesse zu lange dauern. Festgemacht wird das an den aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes.

 

Meine Meinung dazu ist, dass diese Behauptungen der Opposition, aber auch der Kommentatoren irreführend sind, in Teilen sogar sich selbst widersprechen. Der Vorwurf, wir würden zu langsam Bauflächen ausweisen, ist Unsinn. Die Bauindustrie arbeitet bundesweit derzeit am Limit und kommt mit der Realisierung der genehmigten Projekte nicht hinterher.  Hier muss ich als Bausenator den Ball zurückspielen: In Wahrheit würden wir Spekulationen mit Grundstücken und Baugenehmigungen weiter anheizen, wenn wir den Überhang erteilter Baugenehmigungen noch weiter steigern.

 

Zudem verträgt sich die Forderung, noch schneller Bebauungspläne umzusetzen und damit Bauland auszuweisen weder mit nachhaltiger Stadtentwicklung, noch mit unserer Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung. Natürlich fänden gewisse Bauträger es toll, wenn wir die Osterholzer Feldmark zur Bebauung für Reihenhaussiedlungen freigäben. Nur ist das mit grüner Politik nicht vereinbar. Zumal wir Flächen in der Innenentwicklung Bremens für insgesamt 27.000 Wohneinheiten, das heißt für mehr als drei Legislaturperioden, identifiziert haben!

 

Aktuell entwickelt das Bauressort mit dem groß angelegten Stadtentwicklungsplan (SteP) Wohnen Kennzahlen, wie viel und welche Art von Wohnraum in Bremen künftig benötigt wird. Könnte es womöglich sein, dass wir die naturgemäß knappen Flächen im Stadtstaat Bremen statt der ständig geforderten Einfamilienhäuser viel effizienter mittels Reihenhaus- und Geschosswohnungsbau nutzen können, um so den Einwohnerzuwachs der viel beschworenen wachsenden Stadt zu realisieren? Und welches sind die Zielgruppen, für die wir in erster Linie bauen wollen? Da mal genau hinzuschauen, lohnt sich. Dafür dann ein viertes Wohnraumförderprogramm maßzuschneidern ist sinnvoll. Und genau das zeichnet grüne Stadtentwicklung aus. Wir rennen nicht blind diversen Lobbygruppen hinterher, sondern wir schauen hin, was gebraucht wird. Und achten dabei auch auf die Lebensqualität für die Menschen in der Stadt, also auf Plätze und Grünflächen, Aufenthaltsqualität, Stadtklima, nachhaltiges Bauen und ökologische Mobilität.

 

Wir müssen und werden bei der Ausweisung von Bauflächen auch künftig sorgfältig vorgehen und besonders einen Punkt in den Vordergrund stellen: Bürgerbeteiligung. So wie wir es über sieben Jahre bundesweit beachtet gepflegt haben, bis das Neue Hulsbergquartier planerisch entwickelt war und der umfassende städtebauliche Vertrag unterschriftsreif ist. Ohne uns Grüne in der Bremer Regierungsverantwortung wäre das womöglich schon vor zwei oder drei Jahren fertig geworden. Aber würde dann mitten in Bremen ein liebens- und lebenswerter neuer Stadtteil entstehen? Wohl kaum. Bürgerinnen und Bürger wären nur nach gesetzlichen Mindeststandards beteiligt worden, und für Baugemeinschaften gäbe es keinen Platz. Ich finde, liebe Parteifreundinnen und -freunde, dass wir genau darauf stolz sein können. Genau so funktioniert engagierte und verantwortungsvolle Stadtentwicklung: zusammen mit den Menschen, die dort bereits wohnen, und mit denen, die dort künftig wohnen wollen.

 

Immobilien stellen auch in den kommenden Jahren eine gute Renditemöglichkeit dar. Deshalb sollten wir Grünen uns für die nächsten Jahre noch mehr vornehmen: Angesichts des Baubooms kann man bei der Entwicklung städtischer Flächen auch höhere Forderungen stellen. Das kann ein höherer Sozialwohnungsanteil sein, das können mehr Grünflächen inklusive Dachbegrünung sein, vielleicht auch die Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energien oder der autofreie Stadtteil. Und zweitens sollten wir an dieser Stelle unsere Flächenpolitik schärfen. Der Verkauf von städtischen Grundstücken sollte in Zukunft der Vergangenheit angehören. Wir Grünen sollten mehr auf Erbpacht setzen. Dies gepaart mit mehr Raum für Baugemeinschaften oder Genossenschaften mag uns harsche Kritik seitens diverser Oppositionsparteien und der Baubranche einbringen. Aber das sollte uns eher ermutigen, uns für eine lebenswerte Stadt im Interesse der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen.

 

Joachim Lohse