Die Meinung am Freitag, 10.11.2018, von Anja Stahmann

Ich meine, Gewaltschutz darf nicht vor der eigenen Haustür enden.

08.11.18 –

Es klingt fies und ist doch real: Eines der größten Gesundheitsrisiken für eine Frau ist ihr Ex-Partner oder Partner. Jedes Jahr verlieren in Deutschland rund 150 Frauen ihr Leben durch ihren aktuellen oder den früheren Lebenspartner. Und Tag für Tag zeigen 180 Frauen eine Körperverletzung in der Partnerschaft oder durch den früheren Partner an. Das Dunkelfeld ist hoch.

Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache, die Gesellschaft ist gefordert. Sie muss Frauen helfen, sich gegen Partnerschaftsgewalt zu wehren. Die Zahl der Anzeigen steigt. Und das ist, so paradox das klingt, auch ein gutes Zeichen. Europaweite Untersuchungen legen nahe: Hohe Anzeigezahlen müssen nicht in erster Linie bedeuten, dass die Gewalt zunimmt, sondern dass immer mehr betroffene Frauen selbstbewusst genug sind, die Schuld nicht mehr bei sich selber zu suchen, sondern Unrecht als Unrecht empfinden und sich zur Wehr setzen. Partnerschaftsgewalt findet vorwiegend im Verborgenen statt.

Aber je mehr wir darüber reden, je lauter der Ruf nach dem Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt wird, je klarer formuliert wird, dass Schutz vor Partnerschaftsgewalt auch in der gesellschaftlichen Verantwortung liegt, desto mehr fühlen sich Frauen ermutigt, Hilfe und Unterstützung zu suchen. Ich habe derzeit den Vorsitz der Gleichstellungs-und Frauenminister*innenkonferenz (GFMK) inne. Im Schulterschluss mit den anderen Ländern haben wir als Bundesland Bremen erreicht, dass der Bund die Länder und Kommunen mit dem Thema nicht länger allein lässt. Mit der Bereitstellung von 5,1 Millionen Euro in 2019 und 30 Millionen. in 2020 leitet Berlin erste zaghafte Schritte ein, um den Gewaltschutz in Deutschland zu verbessern. Immerhin ein Anfang. Aber Länder und Kommunen erwarten mehr, denn Partnerschaftsgewalt ist keine Bagatelle, sondern eine gravierende Menschenrechtsverletzung. Jede und jeder hat das Recht, gewaltfrei zu leben.

Der Schutz vor Gewalt ist ein Querschnittsthema, für das nicht allein die Frauenministerien zuständig sein können. Er ist ein Querschnittsthema, in das zumindest auch Justiz, Inneres und Forschung eingebunden sein müssen. Das Gewaltschutzsystem muss, egal wo Frau lebt in der Republik, vergleichbar leistungsfähig sein. Wenn wir über die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse reden, gehört dies für mich essentiell dazu. Ärmere Kommunen und Länder brauchen Unterstützung, um diese wichtige Aufgabe stemmen zu können. Aktuelle Daten für das Jahr 2017 werden am 25. November zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen veröffentlicht - und ich gehe nicht davon aus, dass sie sich sehr von den bisherigen Zahlen unterscheiden werden.

Es besteht also nach wie vor großer Handlungsbedarf im Themenfeld Gewalt gegen Frauen und Partnerschaftsgewalt. Bremen braucht deshalb einen Landesaktionsplan Gewaltschutz, um alle Kräfte zu bündeln und Frauen in einer sensiblen Lebenslage die Unterstützung zu geben, die sie brauchen! Dazu zählt auch, dass wir die positiven Erfahrungen der Polizei aus Rheinland-Pfalz aufgreifen, die beim Thema Hochrisikomanagement Vorreiter sind. Wir können Gewalt gegen Frauen und Beziehungsgewalt mit gesetzlichen Maßnahmen oder mit Hilfsangeboten nicht komplett verhindern. Aber wir können den Opfern zeigen: Wir lassen euch nicht im Stich. Wir werden euch jede Unterstützung geben, die ihr braucht. Schnell, unkompliziert, unbürokratisch. Es muss einen Rechtsanspruch auf Schutz geben für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Dafür setze ich mich weiter ein – auf Bundesebene und hier in Bremen.

Lieben Gruß Anja