Die Meinung am Freitag, 13.04.2018, von Simon Metzger

12.04.18 –

Ich meine, der Überwachungsstaat ist nicht grün!

Als ich zum ersten Mal vor wenigen Monaten von dem Vorhaben das Bremische Polizeigesetz zu ändern gehört habe, wusste ich erstmal nicht so genau worum es geht und reagierte relativ emotionslos. Durch das Bündnis Brementrojaner schaute ich aber genauer hin und bemerkte: Bei den Vorschlägen des Innensenators handelt es sich um krasse Grundrechtseingriffe und einen massiven Ausbau des Überwachungsstaates. Außerdem wird die Polizei in Richtung Geheimdienst weiterentwickelt, Videoüberwachung wird an öffentlichen Orten eingeführt und die Polizei setzt Schadsoftware ein, um die private Kommunikation von Personen zu überwachen, die vielleicht (!) eine Straftat begehen werden.

Nun bin ich weder Informatiker noch Jurist und dachte mir: Lasse ich doch die darüber reden, die (scheinbar) etwas davon verstehen und bilde mir dann eine Meinung. Und so ging ich auch diese Woche zu der hochkarätig besetzten und sehr gut besuchten Informations- und Diskussionsveranstaltung der Humanistischen Union und musste feststellen: Auch sehr kompetente Jurist*innen und Informatiker*innen melden große Bedenken an bezüglich verschiedener Punkte, die so von den involvierten Politiker*innen bisher kaum Beachtung fanden. Der Antrag liegt momentan bei den Koalitionsfraktionen und wird überarbeitet – er ist also noch nicht beschlossen, es wird aber wohl in absehbarer Zeit eine Positionierung der Fraktionen stattfinden. Da die Verhandlungen noch nicht abgebrochen wurden, scheint es nicht ausgeschlossen, dass Grünen-Abgeordnete dieses Gesetz mittragen.

Da frage ich mich: Was ist denn hier los? Sind nicht wir, Bündnis 90/Die Grünen, eine Bürger*innenrechtspartei? Für Law-and-Order war doch bisher die CSU zuständig. Scheinbar haben wir alles was wir dem Rechtsruck entgegensetzen wollen vergessen und machen jetzt fröhlich selbst mit – nein, so denkt sich das wahrscheinlich dann doch niemand. Aber eine gewisse (vielleicht „realpolitische“) Unklarheit über die Konsequenzen eines neuen Gesetzes in die Richtung des Vorschlags des Senators existiert zweifellos. Wenn wir da mitmachen, geben wir den Horst Seehofers dieser Republik recht, gehen mit nach rechts anstatt unsere Überzeugungen einer rechtsstaatlichen Grundordnung dem entgegenzusetzen. Und nicht nur den Rechten und Immer-weiter-nach-Rechtsrückenden geben wir Recht mit so einem Gesetz, sondern auch den Terrorist*innen. Denn beim Terror handelt es sich um ungleiche Gegner*innen – rein von der Anzahl und von der militärischen Ausrüstung können alle Terrorist*innen dieser Welt zusammen nicht mit Staaten mithalten. Ihr Ziel ist es aber auch nicht in einem „klassischen“ Krieg, alle Menschen/Soldat*innen der gegnerischen Partei umzubringen, sondern durch gezielte Akte ein Klima der Angst zu säen und letztendlich unsere Art zu leben, unsere demokratische Grundordnung in Frage zu stellen und ins Wanken zu bringen. Wenn wir jetzt in der vermeintlichen Vorbeugung von terroristischen Akten das, was unser Leben ausmacht, nämlich die bürger*innenrechts-liberale Gesellschaft, durch solche Gesetze untergraben, dann haben wir diesen Kampf schon verloren.

Und da müssen wir über Gefühle reden: Angst ist ein starkes Gefühl, das Kämpfen für Bürger*innenrechte eine Erkenntnis, die zunächst nicht in dem Maße Gefühle auslöst. Und mit einem solchen Gesetz schaffen wir nicht mehr Sicherheit, sondern mehr Misstrauen und Angst vor Überwachung. Das befördert die Radikalisierung und bietet einen guten Nährboden für Terror. Um Terror zu vermeiden, müssen wir jedoch das Vertrauen in den Staat fördern. Das funktioniert nicht mit heimlicher Überwachung, sondern mit einer Polizei mit offener Fehlerkultur. Die langfristige Dimension, dass solche Gesetze den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden, müssen wir bei allen Maßnahmen mitdenken, auch wenn wir kurzfristig realpolitisch eine Maßnahme für sinnvoll erachten sollten.

Lasst uns unser politisches Handeln nicht von Angst leiten lassen, sondern aus positiven Visionen und Ideen für eine bessere Gesellschaft konkrete Politik entwickeln. Das ist Kern grüner Politik und Ideologie.