Die Meinung am Freitag, 6.7.12, von Zahra Mohammadzadeh, (MdBB)

Ich meine, dass mit dem Kölner Urteil zur Beschneidung von Jungen der Integration der (deutschen) Musliminnen und Muslimen einen Knüppel zwischen die Beine geworfen wurde.

06.07.12 –

Ich meine, dass …
… mit dem Kölner Urteil zur Beschneidung von Jungen der Integration der (deutschen) Musliminnen und Muslimen einen Knüppel zwischen die Beine geworfen wurde. Darüber hinaus haben die Richter auch denjenigen, die an die Perspektive eines normalen jüdischen Lebens in Deutschland glaubten, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn das Urteil betrifft Muslime und Juden in Deutschland gleichermaßen.

Hat das Gericht nur große Naivität an den Tag gelegt? Oder wollte es religionsrechtlichen Unfrieden einpflanzen? Dazu muss man allerdings wissen, dass die Frage der Zulässigkeit der Beschneidung unter deutschen Juristen bereits eine Zeitlang diskutiert wird.

Die Kölner Urteilsbegründung stellt allein die Frage der Körperverletzung in den Mittelpunkt und verletzt damit das kulturelle und religiöse Brauchtum von vier bis fünf Millionen Menschen in Deutschland auf einen Schlag.. Zur Einwilligung der Beschneidung wäre nach Auffassung der Richter allein das Kind selbst berechtigt gewesen. Gleichgültig, ob jüdischer oder muslimischer Beschneider, zukünftig wissen sie, dass sie zuwider handeln, wenn sie die Beschneidung allein auf Wunsch der Eltern vornehmen. Das Landgericht Köln hat damit bundesweit eine Diskussion entfacht und wird damit aller Voraussicht das seit Jahrhunderten gelebte Brauchtum von Muslimen und Juden in Deutschland stark verändern – in diesem Fall beschneiden!

Leider haben die Kölner Richter ignoriert, dass es andere Gründe als religiöse gibt, aus denen in die körperliche Unversehrbarkeit von Kindern eingegriffen wird. Ist jede medizinisch begründete „Einschnitt“ auch tatsächlich medizinisch indiziert?

Ist das kleine Mädchen, das Ohrringe verpasst bekommt, wirklich in der Lage, eine
eigenständige Zustimmung dazu zu geben?

Sollten Studien, die die Risikoverminderung in Bezug auf HPV- Übertragungen bei beschnittenen männlichen Sexualpartnern belegen, in dieser Diskussion keine Rolle spielen? All diese Fragen deuten darauf hin, dass es viele Aspekte nicht zuletzt der von Gesundheitsstandards gibt, die das Kölner Gericht nicht angemessen gewichtet hat. Oder nicht angemessen gewichten wollte? Welche Konsequenzen sein Handeln für das Alltagsleben der Muslime und Juden in Deutschland noch haben wird, werden wir sehr bald erfahren.

Das Gericht hat unter anderem die Unumkehrbarkeit der Beschneidung zum Anlass für das Verbot genommen, damit bescheinigt es der islamischen wie der jüdischen Religion die „Nicht-Integrierbarkeit“ in die deutsche (Rechts-)Kultur. Auch das könnte Folgen für die integrationspolitische Entwicklung haben, die heute noch gar nicht absehbar sind. Es macht nachdenklich, ob mit diesem Richterspruch die Verfolgung und Ausgrenzung aus religiösen Gründen drohen konnte, was eine besorgniserregende Erkenntnis des Urteils wäre.

Zahra

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Innen/Recht