Die Meinung am Freitag, 10.02.2017, von Kirsten Kappert-Gonther

Ich meine, dass wir ein Mahnmal zur Erinnerung an die massenhafte Beraubung von Jüdinnen und Juden in Europa brauchen – und zwar in direkter Nähe zu Kühne+Nagel, im Herzen der Stadt.

09.02.17 –

Warum an diesem Standort und nicht woanders, wie es offensichtlich jetzt von Spediteuren gemeinsam mit Teilen der SPD vorgeschlagen wird?

Klar ist, wir brauchen in Deutschland ein Mahnmal, das an die wirtschaftliche Dimension des Holocaust erinnert. Bremen ist ein geeigneter Ort, weil in Bremen mit dem Spediteur K+N ein zentraler Akteur der "Arisierung" ansässig ist und gerade wieder dort neu baut, wo sich auch früher der Firmensitz befand.

K+N profitierte massiv von der „Aktion M“, der Ausplünderung jüdischer Häuser und Wohnungen. Mit dem jurierten Mahnmalentwurf von Angie Oettingshausen am Standort K+N könnte so an einem authentischen Ort, dem historischen Ort, an die Verbrechen erinnert werden uns durch die Sichtbarkeit des Ortes das Erinnern fördern.

Der Entwurf nimmt keinesfalls die anderen involvierten Akteure und Gesellschaftsgruppen aus der Pflicht, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Profitiert haben ja nicht nur die Spediteure, sondern auch die öffentliche Hand und die Bürgerinnen und Bürger, die die Möbel ihrer jüdischen Mitmenschen für 'nen Appel und Ei kauften. Darum begrüße ich die Initiative der Spediteure, sich endlich - immerhin sind über 70 Jahre vergangen - dem dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte zustellen. Besser spät, als nie. Das ist sicherlich ein erster Verdienst der bisherigen öffentlichen Debatte, die maßgeblich der Journalist Henning Bleyl angestoßen hat und die wir dann in die Bürgerschaft getragen haben. Ich kann mir gut korrespondierende Erinnerungsorte in Bremen vorstellen, die auf unterschiedliche Ebenen und Facetten der "Arisierung" aufmerksam machen. Erinnerung ist immer partikular und daher plural. Zusätzliche Standorte also gern! Das zentrale Mahnmal aber gehört in das Herz der Stadt, in die unmittelbare Nähe von K+N. Dort wo es sichtbar ist, wo täglich viele Menschen vorbei kommen.

Auch aufgrund der bisher völlig unzureichenden Aufarbeitung der eigenen Geschichte durch K+N stehe ich voll hinter dem Entwurf von Angie Oettingshausen. Dieser reflektiert nämlich neben der materiellen Leerstellen in Form eines ausgeplünderten Raumes auch auf der Metaebene die Leerstelle der ungenügenden Geschichtsaufarbeitung. Obwohl sich die "Aktion M" in diesem Jahr zum 75. Mal jährt, zeigte das Unternehmen bislang keine Initiative, seine Verstrickungen in die nationalsozialistischen Verbrechen lückenlos aufzuklären und umfassend zu dokumentieren.

Zusätzlich geht es um demokratischen Entscheidungsfindungsprozesse!

Ich habe eine klare Vorstellung von grüner Geschichtspolitik, in der Erinnerung nicht von staatlicher Seite verordnet und Geschichtsbilder top-down reguliert werden. Vielmehr streite ich für eine lebendige Erinnerungskultur, in der zivilgesellschaftliche Partizipation, Multiperspektivität und Meinungsvielfalt ermöglicht werden. Auch deshalb findet die Initiative meine volle Unterstützung: sie wurde nicht von der Politik, sondern bottom-up aus der Gesellschaft heraus, entwickelt. Eine lebendige Zivilgesellschaft muss den entsprechenden Entfaltungsraum bekommen. Dieses Mehr an gesellschaftlicher Beteiligung ist mir in allen Politikfeldern so wichtig - eben auch in der Geschichtspolitik.

In diesen turbulenten Zeiten, in denen Rechtspopulisten auf dem Vormarsch sind, sind wir gefordert, die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen mit Entschiedenheit wach zu halten. Wir brauchen eine Erinnerungskultur, die nichts verschweigt, sondern konkret Verbrechen, Täter und Opfer benennt und damit einen unabdingbaren Beitrag zur Demokratisierung unserer Gesellschaft leistet. Darum brauchen wir ein "Arisierungs"-Mahnmal genau dort - am historischen und sichtbaren Ort.

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Bremen | BürgerInnenbeteiligung