Die Meinung am Freitag, 17.1.2014, von Wilko Zicht

Ich meine, dass die berechtigte Kritik an den Hamburger Gefahrengebieten auch in Bremen dazu führen sollte, ähnliche polizeiliche Befugnisse auf den Prüfstand zu stellen.

17.01.14 –

Ich meine, dass die berechtigte Kritik an den Hamburger Gefahrengebieten auch in Bremen dazu führen sollte, ähnliche polizeiliche Befugnisse auf den Prüfstand zu stellen. Anlasslose Personenkontrollen führen fast unweigerlich zu diskriminierendem Polizeiverhalten und gehören daher abgeschafft.

Zehn Tage lang herrschte Ausnahmezustand in Hamburg. Die Polizei hatte weite Teile von Altona, St. Pauli und Sternschanze zum Gefahrengebiet erklärt, um beliebige Personen, die sich in diesem Gebiet aufhalten, anhalten und kontrollieren zu können. Diese Maßnahme wurde vielfach, auch von den Hamburger Grünen, als unverhältnismäßig kritisiert. Ihre gesetzliche Grundlage stammt noch aus Zeiten der CDU-Alleinregierung und trägt die Handschrift von Gefolgsleuten des ehemaligen Innensenators Ronald Schill. Es ließe sich noch einiges mehr zu den Geschehnissen in Hamburg sagen, zu Protesten mit Klobürste und Kissenschlacht, zum Wahrheitsgehalt von Polizeimeldungen über angebliche Angriffe auf Polizeiwachen, zur Akzeptanz von gewaltgeilem Mackertum in linken Kreisen und nicht zuletzt auch zur Bürgerrechtsliberalität des SPD-Senats. Doch ich möchte den Blick auf die Situation in Bremen lenken.

Eigentlich ist die Hamburger Rechtslage in Deutschland einmalig. Nur dort darf die Polizei großflächige Gefahrengebiete festlegen. Die Polizeigesetze der anderen Bundesländer sehen lediglich punktuelle Gefahrenorte vor. Im Gegenzug für diese räumliche Einschränkung gehen die polizeilichen Befugnisse an Gefahrenorten aber deutlich weiter als in den Hamburger Gefahrengebieten. In Hamburg musste sich die Polizei – jedenfalls dem Gesetz nach – neben der Identitätsfeststellung der betroffenen Person auf eine oberflächliche Inaugenscheinnahme der mitgeführten Sachen beschränken. Hingegen erlaubt das Bremische Polizeigesetz an den sogenannten gefährlichen Orten auch die intensive Durchsuchung von Sachen und Personen, einschließlich der Kleidung und den „ohne Hilfsmittel einsehbaren Körperöffnungen oder Körperhöhlen". Nach offiziellen Angaben des Senats aus dem Frühjahr 2012 zählt zu den 42 ausgewiesenen Gefahrenorten unter anderem jene „Örtlichkeit", die zwischen Auf den Häfen und Humboldtstraße im Norden, der St.-Jürgen-Straße und Lüneburger Straße im Osten, dem Osterdeich im Süden und Mozart-/Ruten-/Heinrichstraße im Westen liegt. Sprich: Fast das komplette „Viertel" gilt als Gefahrenort! Hier darf jede Person rund um die Uhr einfach so von der Polizei kontrolliert und durchsucht werden. Während man sich in Hamburg also immerhin die Mühe gemacht hat, für großflächige Gebiete eine Sonderregelung mit eingeschränkten Befugnissen einzuführen, wendet die Bremer Polizei einfach die für gefährliche „Orte" gedachte weitergehende Regelung des Bremischen Polizeigesetzes auf anscheinend beliebig große Gebiete an.

Zur Verteidigung der Bremer Polizei muss natürlich erwähnt werden, dass sie dort nie binnen weniger Tage knapp tausend Personenkontrollen durchgeführt hat, wie dies nun in Hamburg geschehen ist. Wer aber meint, von den erweiterten polizeilichen Befugnissen im Viertel und an anderen Bremer Gefahrenorten bisher nichts mitbekommen zu haben, sieht vielleicht einfach nur zu deutsch aus. Denn wenn die Polizei Personenkontrollen ohne jeden Verdacht oder Anlass durchführen darf, dann wählt sie die zu kontrollierenden Personen natürlich nicht nach purem Zufall aus, sondern auf der Grundlage von – im wahrsten Sinne des Wortes – Vorurteilen, insbesondere anhand des äußeren Erscheinungsbilds. Hierzu gehören dann geradezu zwangsläufig auch unveränderliche Merkmale wie Hautfarbe und Gesichtszüge. Zwar wird die Gefahr eines ethnischen Profilings in der Polizeiausbildung mittlerweile thematisiert, aber realistischerweise wird man sich eingestehen müssen, dass Personenkontrollen ohne konkreten Verdacht oder Anlass fast immer diskriminierend sein werden. Offen zu Tage tritt dies, wenn beispielsweise die Polizeiinspektion Süd den Ortsteil Hohentor wegen „massiven Betäubungsmittelhandels durch Schwarzafrikaner" zum Gefahrenort erklärt und dadurch rassistische Personenkontrollen heraufbeschwört.

Anlasslose Personenkontrollen sind allein schon wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen kritisch zu sehen. Das damit verbundene ethnische Profiling macht sie unerträglich.

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Innen/Recht | Migration, Integration, Asyl