Die Meinung am Freitag, 18.03.2016, von Michael "Pelle" Pelster

Ich finde wir werden umdenken müssen... "Kretschmann kapieren, nicht kopieren" war eine der ersten grünen Kurzanalysen. Oder "Von Kretschmann lernen heißt siegen lernen".

17.03.16 –

GRÜN.NEU.DENKEN.

 

Ich finde wir werden umdenken müssen...

"Kretschmann kapieren, nicht kopieren" war eine der ersten grünen Kurzanalysen. Oder "Von Kretschmann lernen heißt siegen lernen".

Wie anders klingen da doch die ersten Analysen aus dem Bremer Parteivorstand. Die Bremer Grünen könnten wenig von Kretschmann lernen, liest man am Montagmorgen.

Ja, wir Bremer Grünen sind mit Vielem nicht einverstanden, was von der noch grün-roten Regierung im Ländle gerade in Sachen Verschärfung der Asylgesetzgebung vertreten wurde. Wir haben lange überlegt, wie ein grüner Ministerpräsident mit dem Volksentscheid für Stuttgart 21 umgeht. Im unserem letzten Bremer Bürgerschaftswahlkampf haben wir mit dem einzigen und erstem grünen Ministerpräsidenten eine zarte, kleine Wahlkampfveranstaltung in der Handwerkskammer gemacht. Bloß nicht zu viel Nähe zeigen.

Wir Grüne wiederholen stets das gleiche Mantra: "Inhalt vor Personen". Nicht nur mit Blick auf Baden-Württemberg, nicht nur mit Blick auf die USA mit einem anderen Wahlsystem, sondern auch mit Blick auf unsere eigene grüne Geschichte zeigt sich, dass wir uns da was vormachen. Natürlich braucht Politik ein Gesicht. Petra Kelly, Claudia Roth, Joschka Fischer, Jürgen Trittin. Alle schon vergessen? Winfried Kretschmann ist ein Gesicht, dem Mann und Frau vertrauen kann. Das mag man banal, unpolitisch oder sonst wie finden. Ein Gesicht, das mit der Übernahme von Verantwortung umzugehen weiß. "Erst das Land, dann die Politik", so Winfried Kretschmann 2011. Diesen Kurs hat er durchgehalten, auch gegen grüninterne Kritik. Gibt der Erfolg ihm und den baden-württembergischen Parteifreunden Recht? Ja und Nein. Denn es war eben nicht nur ein personalisierter Wahlkampf, sondern die Grünen in Baden-Württemberg, die übrigens seit 1980 ununterbrochen im Parlament sitzen, haben auch einen Wahlkampf gemacht, der geprägt war von der ökologischen Transformation in einem der wirtschaftsstärksten Bundesländer, von einer sozialen Bildungspolitik und einer ökologischen Verkehrspolitik, trotz S21.

Dass allein ein gutes Programm nicht reicht, haben die Grünen in Rheinland-Pfalz erlebt. Aus der Regierung trotz grüner Erfolge in der vergangenen Legislaturperiode abgewählt mit nur noch einem Drittel der Stimmen und zerrieben im Personenwahlkampf zwischen Dreyer und Klöckner. Wir sollten daher in Bremen nicht nur unsere grünen Erfolge und Projekte ins Zentrum stellen, sondern auch die Personen, die diese überwiegend verkörpern. Das heißt aber nicht, in die sogenannte Mitte zu streben. Ja, dort werden Wahlen gewonnen, aber es verschwinden auch die politischen Differenzen. Gute, erfolgreiche Oppositionspolitik in den Parlamenten und programmatische Abgrenzungen untereinander findet zurzeit wenig statt. Die Bindung der Wählerinnen und Wähler geht mehr und mehr über Personen. Das gilt es zu berücksichtigen.

Wir Bremer Grüne sind gut beraten, unsere verengte grüne Sichtweise abzulegen. Wir können es uns nicht erlauben, mit Blick auf die Rüstungskonzerne auch in Bremen eine industriefeindliche Politik zu starten, die meint, Fluchtursachen und Kriegsgefahr zu bekämpfen ginge nur gegen die Konzerne, ob OHB, Krupp-Atlas oder Mercedes. Kretschmann lehrt, dass ökologische Politik keine Bedrohung für die Industrie ist, sondern erst durch die ökologische Transformation Zukunft hat. Darüber müssen in Bremen reden, auch mit der Industrie und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und gemeinsam neue Konzepte entwickeln. Grüne Wirtschaftspolitik in Bremen hat leider allzu oft nur die Bio-Branche und den Mittelstand im Kopf. Dabei ist es eher umgekehrt: wo Grüne Repräsentanten und Mitglieder Unternehmen besichtigen, stellen diese voller Stolz ihre Nachhaltigkeit und Energieeinsparungsbemühungen uns Grünen vor.

Natürlich ist immer entscheidend, was an grüner Programmatik in der Regierung letztlich umgesetzt wird. Aus der Opposition heraus ist keine sozial-ökologische Wende möglich. Opposition und auch linke Politik sind nur die Vorboten grüner Regierungsarbeit. Die reine Lehre hilft allein nicht.

"Kretschmann kapieren".

Alle grünen Erfolge werden getrübt vom Erfolg der AFD. Es ist nicht mehr nur und ausschließlich ein ostdeutsches Problem. Doch auch hier ist ein Blick in die Geschichte hilfreich. Nicht nur Studien aus den 80ziger Jahren oder in der Neuzeit vom Bielefelder Sozialwissenschaftler Heitmeyer über Rechtsextremismus, sondern auch die früheren Wahlergebnisse von DVU, Schill-Partei, Republikaner oder in Bremen die Patrioten und Anderen belegen, dass wir ein latentes rechtes Potenzial nicht nur am Rand unserer Gesellschaft haben. Da gilt es genauer hinzusehen. All die gewählten AFD-Vertreter in den Bremer Beiräten sollten nicht angesichts ihrer mangelnden Fachkompetenz ignoriert werden, sondern sie müssen in ihren Haltungen in ihrer rückwärtsgewandten, nationalistischen und rassistischen Partei hinterfragt und offensiv politisch konfrontiert werden.

Wir werden umdenken müssen, auch was Koalitionsfähigkeiten angeht. Rot-Grün, auch Rot-Rot-Grün hat sich zumindest aktuell im Bund erledigt. Und wie lange das Bremer Modell noch mehrheitsfähig ist, kann keiner sagen. Wir sollten die Zeit bis dahin zur Analyse und Kritik nutzen und an unserem Profil arbeiten.

 

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Wahlkampf