Die Meinung am Freitag, 19.06.2015, von Olaf Dilling

Ich meine, dass wir Grüne darauf achten müssen, dass trotz der Notwendigkeit eines globalen Klimaschutzes die Natur vor Ort nicht auf der Strecke bleibt.

19.06.15 –

Ich meine, dass wir Grüne darauf achten müssen, dass trotz der Notwendigkeit eines globalen Klimaschutzes die Natur vor Ort nicht auf der Strecke bleibt.

Auf der Landesmitgliederversammlung am 2. Juni 2015 nach der Bürgerschaftswahl ist viel über Rückbesinnung auf grüne Werte und auf die ökologische Kernkompetenz der Partei gesprochen worden. Es ist auch darüber gesprochen worden, dass es für eine Erneuerung der Partei erforderlich ist, unangenehme Wahrheiten offen auszusprechen. 

Erstaunt hat mich vor diesem Hintergrund, dass bei einem der ersten inhaltlichen Diskussionspunkte, der Diskussion über den Offshore-Terminal Bremerhaven, vor allem wieder über wirtschaftliche und soziale Aspekte gesprochen wurde, insbesondere über Arbeitsplätze und Standortpolitik. Was die Umwelt angeht, wurde von Joachim Lohse auf die Notwendigkeit für das Gelingen der Energiewende hingewiesen. Leider war ich selbst nicht spontan genug, um eine umfassendere ökologische Bewertung in die Debatte einzubringen und freue mich über eine Gelegenheit, dies hier nachholen zu können.

Während die weltweiten Folgen des Offshore-Terminals für den Klimaschutz noch mit mehreren Fragezeichen zu versehen sind, sind die lokalen Folgen für die Umwelt bereits sehr gut absehbar: Wertvolle Watt- und Flachwasserflächen müssen überbaut werden, die in Binnengewässern und Ästuaren sehr selten sind. Auch andernorts, am Mühlenberger Loch, sind sie der wirtschaftlichen Entwicklung geopfert worden oder sind, an der Ems, durch die Flussregulierung beeinträchtigt. In den beplanten Flächen bei Bremerhaven kommen seltene Seevögel vor, vor allem Säbelschnäbler, im Frühling wandern hier Fische, die in der Unterweser laichen, gefolgt von Schweinswalen. Der Blexer Bogen, der zum Teil überbaut werden soll, ist für die Ökologie der Weser deshalb so kritisch, weil hier die Brackwasserzone zwischen maritimer Außenweser und dem Binnenfluss mit seinem Einzugsgebiet liegt. Für eine Vernetzung der Biotope hat dieser Brackwasserbereich eine sehr wichtige Funktion, so dass der ökologische Zustand der Weser durch die Überbauung insgesamt beeinträchtigt werden könnte. 

Von den großen Umweltschutzverbänden, BUND und Nabu ist dies längst erkannt worden, die daher Einwendungen gegen den Bau erhoben haben. Natürlich ist den Verbänden die Abwägung zwischen Klimaschutzzielen und Naturschutz nicht leicht gefallen und auch wir sollten uns als Grüne die Entscheidung nicht leicht machen. 

Es besteht hier aber die Gefahr, dass der eher kleinteilige Naturschutz gegenüber globalen Belangen ins Hintertreffen gerät. Dies hat meiner Meinung nach etwas mit einem kurzsichtigen Schielen auf die öffentliche Meinung zu tun und dem Versuch, Ökologie und Ökonomie auf allzu aalglatte Weise zu vereinbaren. Naturschutz gilt im einzelnen Fall oft als unpopulär, auch wenn seine Notwendigkeit grundsätzlich anerkannt ist. Kurzfristige Wahlerfolge lassen sich damit jedenfalls schwer erzielen. Dennoch hängt die Glaubwürdigkeit grüner Politik langfristig davon ab, wie sich der ökologische Bestand eines Landes oder einer Kommune entwickelt. Hier geht es um Lebensqualität, Erholungswert und letztlich auch um nachhaltiges Wirtschaften, auch wenn im Einzelnen nicht immer vermittelbar ist, was für "verborgene Schätze" geschützt werden müssen und was ihre übergeordnete Funktion für das Ökosystem ist und welcher Nutzen sich daraus ziehen lässt.

Der Offshore-Terminal mag nur ein Detail sein, aber es steht aus meiner Sicht beispielhaft für eine problematische Entwicklung in unserer Partei: Über einer Euphorie für nachhaltige Technologien läuft die Umweltpolitik der Grünen Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren und in eine unausgewogene Interessenpolitik für die erneuerbare Energiebranche umzuschlagen.  Ein anderes Beispiel für die Vernachlässigung lokalen Naturschutzes hinter vermeintlich übergeordneten Bemühungen um Nachhaltigkeit ist das von Maike Schäfer kritisierte Sparen beim Nachpflanzen von Straßenbäumen. Ein Bruchteil der in den OTB investierten Staatsgelder würde reichen, um hier großzügig Abhilfe zu schaffen. Unsere Kinder würden es uns danken!

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Umwelt