Die Meinung am Freitag, 23.09.2016, von Kirsten Kappert-Gonther

Ich meine, dass Teilhabe für alle der Schlüssel für eine solidarische Gesellschaft ist. Das bedeutet, auch behinderten Menschen selbstverständlich umfassende Teilhabe zu ermöglichen. Dafür muss das Bundesteilhabegesetz überarbeitet werden, bevor es in Kraft tritt.

22.09.16 –

Ich meine, dass

Teilhabe für alle der Schlüssel für eine solidarische Gesellschaft ist.

Das bedeutet, auch behinderten Menschen selbstverständlich umfassende Teilhabe zu ermöglichen. Dafür muss das Bundesteilhabegesetz überarbeitet werden, bevor es in Kraft tritt.

Vielfalt als Chance und nicht als Bedrohung zu begreifen, führt zu Menschlichkeit und Solidarität. Die Fähigkeit einer Gesellschaft zu Gleichberechtigung zeigt und übt sich auch durch die Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) soll behinderten Menschen mehr Teilhabe ermöglichen. Es soll das alte „Fürsorgesystem“ ablösen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickeln.

Der jetzt vor der Bundesratsbefassung stehende Gesetzesentwurf enthält durchaus positive Ansätze, wie beispielsweise die Schaffung von Alternativen zur Werkstatt für Behinderte und die gesetzliche Verankerung des Budgets für Arbeit.

Wir sind aber der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, und diese Verpflichtungen gehen wesentlich weiter. Um die Rechte aus der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen und allen Menschen mit Behinderung Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen, bedarf es im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch einer Reihe wichtiger Änderungen. Wenn das Gesetz ohne Änderungen in Kraft träte, würde es zu weniger, statt zu mehr Teilhabe führen. Das wäre nicht nur eine vertane Chance, sondern richtig schädlich – nicht nur für Menschen mit Behinderung.

Das Gesetz muss klarstellen, dass Menschen mit Behinderung nicht zusätzlich auch noch von der Gesellschaft behindert werden - wir müssen dafür sorgen, dass Menschen weniger Barrieren erleben als bisher!

Entscheidend dafür ist die Verbesserung des Gesetzentwurfs vor allem in drei Bereichen:

  1. Es muss sichergestellt werden, dass der Kreis der Leistungsberechtigten nicht weiter eingeschränkt wird; das droht allerdings durch den jetzigen Entwurf insbesondere blinden und seelisch behinderten Menschen.
  2. Menschen mit Behinderung müssen frei und selbstbestimmt wählen können, wo und mit wem sie wohnen wollen! Kein behinderter Mensch darf aus Kostengründen verpflichtet werden, in einer besonderen Wohnform zu leben. Der Gesetzgeber darf weder jemanden verpflichten in einer WG noch in einem Heim zu leben. Dieses Wunsch- und Wahlrecht soll aber durch das neue Gesetz eingeschränkt werden. Hier braucht es Nachsteuerung!
  3. Die UN-Behindertenrechtskonvention gilt in Deutschland seit dem Jahr 2009 und besagt, dass Menschen mit Behinderung alle Lebensbereiche vollständig zugänglich sein müssen, das gilt für Wohnen, Arbeit und Freizeit. Wenn Menschen mit Behinderungen Assistenz brauchen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen, müssen sie selbst entscheiden können, was für sie sinnvoll ist: Ob diese Assistenz für mehrere gemeinsam erfolgt oder für Einzelne zur Verfügung gestellt werden muss. Es kann durchaus sinnvoll sein, dass sich mehrere Kinder in einer Klasse oder mehrere WG-BewohnerInnen eine Assistenz teilen. Es muss aber sichergestellt werden, dass die Betroffenen entscheiden können, ob es für sie passend ist, diese Unterstützung mit anderen zu teilen oder eben nicht.

Morgen wird das Bundesteilhabegesetz im Bundesrat diskutiert. Bremen wird sich für deutliche Verbesserungen einsetzen. Das ist gut und das ist notwendig!

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Gleiche Rechte für alle