Die Meinung am Freitag, 28.06.2013, von Eckhard Lotze

Ich meine, dass für die Pflege endlich die berufliche Selbständigkeit in Form einer Pflegekammer geschaffen werden sollte.

27.06.13 –

Pflege endlich ernst nehmen – Eine Pflegekammer für Bremen schaffen!

Ich meine, dass für die Pflege endlich die berufliche Selbständigkeit in Form einer Pflegekammer geschaffen werden sollte. Der Pflegeberuf befasst sich – wie andere Heilberufe auch – mit der Wiedererlangung, Verbesserung, Erhaltung und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit (vgl. § 3 KrPflG 2004). Er ist ein Heilberuf nach § 74 GG. Der Pflegeprozess bildet die Handlungsgrundlage für professionell Pflegende. Er rahmt das Beziehungs­geschehen, das den Kern jeder guten Pflege ausmacht. Professionell Pflegende erbringen einen sträflich unterschätzten Anteil an einem humanen Versorgungsgeschehen im Gesundheitswesen, besitzen aber kein berufsbezogenes Sprachrohr, das in Augenhöhe mit anderen Interessenvertretungen (z.B. neben anderen Heilberufekammern auch Kranken- und Pflegekassen, „Pflegewirtschafts­unternehmen" inkl. der Wohlfahrtsverbände, etc.) ihre Belange umfassend und unabhängig von Partikularinteressen vertreten könnte.

Das deutsche Gesundheitswesen ist besonders stark von der staatlich zugebilligten Selbstverwaltung durch die verschiedenen Interessengruppen geprägt – und hier vor allem von den Berufskammern der klassischen Heilberufe. Diese Berufe regeln und vertreten ihre beruflichen Angelegenheiten selbständig als Körperschaften öffentlichen Rechts. Der Staat hält sich bis auf eine formale Rechtsaufsicht raus, weil er selbst keine ausreichende Kapazität und/oder Fachexpertise besitzt und auf die (auch ethische!) Selbstregulierung dieser Berufe vertraut. Auftrag der Kammern ist ausdrücklich auch die berufliche Interessenvertretung gegenüber Politik und anderen „Playern" im Gesundheitswesen. Dieses Recht wird der Pflege noch immer verwehrt.

Dabei wird ihr von neutralen Experten ein immenser Nachholbedarf an selbstverantwortlicher Integration in das Versorgungsgeschehen bescheinigt. Der Sachverständigenrat für die Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) hat seit 2007 mehrfach die Arztlastigkeit unseres Gesundheitswesens als kontraproduktiv und ineffizient bewertet und eine Aufwertung des Pflegeberufs angemahnt. Nicht umsonst wird parteiübergreifend – leider nur in politischen Sonntagsreden – mehr Wertschätzung, leistungsgerechte Entlohnung und eine Attraktivitäts­steigerung für den Pflegeberuf verlangt.

Eine Pflegekammer zu errichten ist in Bremen möglich und verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie würde die Gesamtinteressen der Pflegeberufe bündeln und der Pflege EINE Stimme geben. Sie würde Pflegequalität (mit)definieren und endlich den größten Gesundheitsberuf hörbar machen. Ich bin der Überzeugung, dass damit nicht zuletzt auch die Patientenorientierung der Gesundheitsversorgung insgesamt erhöht wird.

Bewusst irreführend ist, dass Manche für die Pflege schon heute von einer „Selbstverwaltung" sprechen. Das trifft natürlich nicht zu. Es ist nämlich ausdrücklich keine berufliche Vertretung der Pflege gemeint, sondern, dass Kranken- und Pflegekassen sowie Sozialhilfeträger sich mit sog. „Leistungserbringern" (natürlich reine Arbeitgebersicht!) nicht gerade transparent auf Verfahren, Inhalte, Entlohnung, etc. von Pflege einigen. Zudem fallen Gewerkschaft (ver.di) als auch die Arbeitnehmerkammer (als Bremer Besonderheit) mangels Pflegeexpertise, fehlendem Mandat aus der Pflege und als reine Arbeitnehmervertreter für eine angemessen umfassende Repräsentanz des Pflegeberufs aus. Sie haben außerdem andere Aufgaben, die sie – für die Pflegenden oft kaum erkennbar – wahrnehmen.

Ein Pflegeexperte hat einmal gesagt: „Sobald die erste Ärztekammer abgeschafft wird, verzichten wir Pflegenden gerne auf die Verkammerung des Pflegeberufs."  Ich möchte keine Pflegekammer um der Kammer willen, aber ich fordere eine umfassende, eigenverantwortliche Berufsvertretung der mindestens 12.000 Bremer Pflegefachkräfte.

Eckhard Lotze ist Mitglied im Kreisverband Kreisfrei, Stadtteilgruppe Neustadt.

Kategorie

Gesundheit