Ein Kommentar von Matthias Güldner

Am letzten Samstag, 14.6.2014, hat auf dem Bremer Marktplatz das öffentliche Hearing „Wer war beteiligt an der Tötung von Laye Condé?" stattgefunden. Dazu ein Kommentar von Matthias Güldner.

20.06.14 –

Erklärung zum Hearing „Wer war beteiligt an der Tötung von Laye Condé?" am 14. Juni 2014 auf dem Bremer Marktplatz von Matthias Güldner, einer der Teilnehmer und Grüner Fraktionsvorsitzender.

"Am 27. Dezember 2004 wurde der Tatverdächtige Laye Alama Condé in staatlichem Gewahrsam durch fortgesetzte Verabreichung von Brechmitteln und Wasser getötet. Die drei Auflagen eines Strafprozesses gegen den beteiligten Arzt des Bremischen Beweissicherungsdienstes endeten mit einer Verfahrenseinstellung nachdem der Bundesgerichtshof die ersten beiden Versuche des Bremer Landgerichtes, den Angeklagten freizusprechen, empört zurückgewiesen hatte. Gegen die Einstellung ist keine weitere Revision beim BGH möglich. Gegen weitere Beteiligte, wie den Vorgesetzten des Angeklagten, Herrn Prof. Birkholz, beteiligte Polizeibeamte oder politisch Verantwortliche wurde keine Anklage erhoben.

Während sich der amtierende Polizeipräsident, der Bürgermeister und andere zu der Tötung in staatlicher Obhut verhalten haben und sich bei der Familie von Laye Condé entschuldigten, wurde auf dem Hearing die beschämende Rolle des damaligen Innensenators und heutigen Fraktionsvorsitzenden der CDU, Thomas Röwekamp, und des damaligen Justizsenators und Bürgermeisters Henning Scherf ausführlich thematisiert. Beide haben während und nach den Ereignissen jegliche Verantwortung von sich gewiesen, die Tötung verharmlost oder, wie Scherf, bis heute die Kenntnis über die mögliche Vermeidung des Todes durch Brechmittel abgestritten. Ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage in dieser Sache gegen Scherf wurde ebenfalls eingestellt.

Ein Antrag der Grünen Bürgerschaftsfraktion vom 11. Dezember 2001 (DS15/1028), die Brechmittelvergabe sofort einzustellen, nachdem in Hamburg der Nigerianer Achidi John durch eine vergleichbare folterähnliche Prozedur getötet wurde, wurde damals von SPD, CDU und dem DVU-Abgeordneten Tittmann abgelehnt. Auf dem Hearing wurde klargestellt, dass die Verabschiedung dieses Antrages in der Bremischen Bürgerschaft das Leben von Laye Condé gerettet und viele andere Brechmittelopfer vor teils schweren gesundheitlichen Folgen geschützt hätte.

Bis heute haben die anderen politischen Parteien in Bremen keine klare Haltung zu dem Geschehen. Ein einstimmig von der Grünen Bürgerschaftsfraktion am 25. März 2014 verabschiedeter Antrag zur vollständigen Aufarbeitung des Geschehens (siehe Text unten) liegt seitdem der SPD-Fraktion vor. Obwohl bisher nicht endgültig beschieden, wurde bereits die Streichung nahezu aller relevanten Punkte oder ggf. Ablehnung signalisiert.

Für mich ist die politische Verantwortungslosigkeit und Gleichgültigkeit so vieler Politiker und Verantwortlichen im Polizei-, Justiz- und Gesundheitssystem im Fall Condé ein Lehrbeispiel für die Notwendigkeit, klar Standpunkte zu beziehen und alles daran zu setzen, derartige Missstände zu verhindern. Neben der Bremischen Beteiligung an der Inhaftierung und Folterung des Bremers Murat Kurnaz in Guantanamo (Scherf, Röwekamp) ist der Tod von Laye Condé ein Beleg dafür, dass unter der gemütlich hanseatischen Oberfläche schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgekommen sind und auch heute noch vorkommen."

BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drs. 18/ S
Stadtbürgerschaft 25. März 2014
18. Wahlperiode

ENTWURF

Antrag (Entschließung) der Fraktionen Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Tod nach Vergabe von Brechmitteln: Verantwortung und Konsequenzen

Mit der Einstellung des Strafverfahrens gegen einen Mitarbeiter des ärztlichen Beweissicherungsdienstes endete vor kurzem die strafrechtliche Aufarbeitung der Tötung des Tatverdächtigen Laye-Alama Condé im Polizeigewahrsam während einer mittels Brechmitteln durchgeführten Beweismittelexkorporation. Durch die Verfahrenseinstellung konnte abschließend weder die individuelle Schuld oder Unschuld des Angeklagten festgestellt noch einer möglichen Tatbeteiligung Dritter, noch der massiven Kritik des Bundesgerichtshofs an dem bis dahin durchgeführten Verfahren Rechnung getragen werden.

Im Fall der politischen, gesellschaftlichen und medizinischen Verantwortung für das Geschehen gibt es bisher eine gemischte Bilanz mit noch einigen offenen Punkten. Der Präsident des Senats hat im Namen aller Bremerinnen und Bremer bei den Angehörigen des Toten um Entschuldigung gebeten. Insgesamt hat sich die Stadtgesellschaft in Bremen, nicht zuletzt auf Anregung der Angehörigen, der „Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé", der gegenwärtigen Polizeiführung, der Anwältinnen und Anwälte und der Medien, ausführlich mit dem Fall und seinen Hintergründen auseinandergesetzt. Im Auftrag des Polizeipräsidenten wurde eine Broschüre zum Hintergrund des Todes von Herrn Condé zusammengestellt und veröffentlicht, in der sich unter anderem auch der heutige Innensenator zum Geschehen äußert. Die Initiative hat bei zahlreichen Gelegenheiten Vorgeschichte, Hintergründe und Konsequenzen des Todesfalles öffentlich gemacht. Im Bereich der medizinischen Selbstorganisationen wurden standesrechtliche und medizinische Fragen erörtert. Aus dem Spektrum der politischen Parteien Bremens gab es politische Wertungen des Geschehens.

Die Stadtbürgerschaft möge in diesem Zusammenhang beschließen:

  1. Die Stadtbürgerschaft äußert ihre Bestürzung darüber, dass aus einem ähnlich gelagerten Vorfall in Hamburg drei Jahre vor den Ereignissen in Bremen nicht diejenigen politischen Konsequenzen gezogen wurden, die den Tod von Laye-Alama Condé hätten verhindern können.
  2. Die Stadtbürgerschaft bedauert, dass in dem einschlägigen Strafverfahren die Schuldfrage am Tod Laye-Alama Condés nicht geklärt wurde und sieht mit Sorge die in zwei Urteilen des Bundesgerichtshofs geäußerte massive Kritik an diesem Verfahrenskomplex.
  3. Die Stadtbürgerschaft nimmt anerkennend die unterschiedlichen gesellschaftlichen, behördlichen und politischen Initiativen zur öffentlichen Aufarbeitung der Ursachen, Zusammenhänge und Konsequenzen aus diesem Tod durch Verabreichung von Brechmitteln zur Kenntnis, besonders die Initiative des Präsidenten des Senats, für die Freie Hansestadt Bremen den Angehörigen das Beileid auszusprechen und sich für das erlittene Leid zu entschuldigen, und die Initiativen des Polizeipräsidenten zur Aufarbeitung des Geschehens.
  4. Die Stadtbürgerschaft befürwortet die Initiative zur Schaffung eines Ortes zum Gedenken an das Geschehen und vertraut den zuständigen Beiräten und dem Orts­amt, eine würdige Lösung mit allen Beteiligten zu finden.
  5. Die Stadtbürgerschaft heißt aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung eines Todesfalls in staatlicher Obhut, der weit über den Einzelfall hinausreicht, die Idee einer Wiedergutmachung gegenüber den Hinterbliebenen gut; über die geeignete Form soll es mit den direkten Angehörigen einen Dialog geben.

Kategorie

Innen/Recht