Die Meinung am Freitag, 16.5.2014, von Susanne Wendland

Ich meine, dass um die Grohner Dühne in den letzten Wochen eine hemmungslose populistische Debatte über die Frage geführt wurde, ob der Bausenator und die GEWOBA versagt haben, weil sie den Kauf der Düne verpasst hätten.

15.05.14 –

Ich meine, dass um die Grohner Dühne in den letzten Wochen eine hemmungslose populistische Debatte über die Frage geführt wurde, ob der Bausenator und die GEWOBA versagt haben, weil sie den Kauf der Düne verpasst hätten. Stattdessen stellt sich die Frage, wie wir in Zukunft sicherstellen, dass die Wohnungen in der Düne bezahlbar bleiben.

Ein Großteil der Wohnräume der Düne befindet sich im Großen und Ganzen in einem guten Zustand. Fast alle Wohnungen sind vermietet, und das zu einem bezahlbaren Preis. Damit das so bleibt spricht alles dafür, die Grohner Düne zu kaufen. Schon jetzt beklagen die Bewohner_innen, dass die Fahrstühle oft nicht funktionieren, die Treppenhäuser erscheinen oft verwahrlost und die Eltern haben Angst, ihre Kinder im Innenhof spielen zu lassen. Dies sind gute Gründe für Bremen, um die Düne zu kaufen. Um mehr Mitsprache zu haben, z.B. dann, wenn es Probleme mit dem Strom gibt, um einen besseren Service- und Kontaktpflege zu ermöglichen, schlechte Wohnzustände durch Instandsetzung zu beseitigen und um den Innenhof einsehbar zu machen. Die GEWOBA würde ihrer Aufgabe sicherlich gut nachkommen.

Das Hauptproblem ist aber nicht das Besitzverhältnis der Immobilie, sondern das schlechte Image. Dieses haftet der Düne an, weil die Bewohner_innen der Düne seit Jahren heftigster Stigmatisierung ausgesetzt sind. Stigmatisierung ist Zuschreibung; ist Verbreitung von bestimmten Bildern in den Köpfen der Menschen, angefeuert durch Sprachbilder, die Medien und andere Vertreter und Entscheider verankern (wollen). Die Düne gilt als der "soziale Brennpunkt Bremens", sie sei ein "sozial schwacher Stadtteil", ja sogar die Kinder dort seien "sozial schwache Kinder." Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es in der Düne Probleme gibt - städtebauliche Probleme, schlechte Wohnverhältnisse, Eigentümer ohne Investitionsbereitschaft, materielle Armut. Aber was soll das denn sein, ein "sozial schwacher" Mensch? Ich selbst verwende diese Begrifflichkeit nicht. Denn "sozial schwach" beinhaltet nicht nur, dass die Menschen wenig Geld in ihrer Geldbörse haben. Dies wird gleichgesetzt, dass diese Menschen auch soziale Probleme haben oder sogar solche erzeugen würden, wie z.B. sie hätten keine soziale Ader, Kommunikationsprobleme, Alkohol- und andere Suchtprobleme, und seien kriminell. Ich finde, dass das diskriminierend und menschenverachtend ist. Doch das inszenierte Bild hallt nach in den Köpfen.

Richtig ist, dass die Bewohner_innen in der Grohner Düne in ihrer Wohn- und Lebenssituation benachteiligt sind; besonders mangels fehlender Perspektiven, aber auch, weil sie ihr tägliches Überleben zermürbt. Dies ist strukturell bedingt. Viele von ihnen wollen arbeiten gehen, finden aber keine gut bezahlte Arbeit. Stattdessen müssen sie sich in prekären und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen bewegen, müssen beim Amt aufstocken, sind oft verschuldet oder von Überschuldung bedroht, sind daher oftmals in Existenzängsten gefangen, befinden sich in ungeklärtem und ungesichertem Aufenthaltsstatus und hinzu kommen zum Teil beengte und zum Teil schlechte Wohnverhältnisse. Armut wird damit strukturell zementiert. Ich meine, dass diese Menschen unsere Wertschätzung verdienen. Damit die Wohn- und Lebensverhältnisse der Bewohner_innen der Düne verbessert werden können, müssen wir hingehen, mit ihnen sprechen und zuhören, um mit ihnen gemeinsam neue Perspektiven zu entwickeln und zu verwirklichen.

Perspektiven, die es zum Beispiel möglich machen, dass gerade auch die jungen Menschen aus der Düne trotz ihrer Adresse eine reale Chance auf einen Praktikums- und Ausbildungsplatz erhalten, dass die Bewohner_innen wirklich beteiligt werden, also nicht nur angehört werden, sondern mitentscheiden können, dass die Kitas zu echten Familienzentren werden, damit Eltern eingebunden und ihnen auch Weiterbildungsmöglichkeiten und gezielt Arbeits- und Beschäftigungsangebote gemacht werden können, Abschiebungen verhindert, Aufenthaltsstatus verbessert, internationales Zusammenleben begrüßt werden; nicht zuletzt bedarf es von kommunaler Seite aus einer bereichsübergreifenden Strategie, um die Düne nicht nur aus ihrem schlechten Image herauszuholen, sondern dort auch weiterhin bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen.

 

Kategorie

Sozialpolitik